Begegnungen

Die Sonne brannte heiß auf seiner Glatze, Schweiß rann ihm in die Augen. Die Hitze war das einzige, an das sich Volker nicht gewöhnen konnte. Der freundlichere Umgang unter den Menschen, die pure Lebensfreude (welche nur Menschen erleben können, die täglich strahlenden Sonnenschein genießen) und die umwerfende Natur um ihn herum hatten ihn von der Karibik überzeugt. Er lebte nun schon seit 2 Jahren hier, war aus dem Leben in Deutschland "ausgestiegen", wie man es so schön nennt. Seinen Job hatte er gekündigt, seinen Freunden per eMail oder Telefon Lebwohl gesagt und alles weitere bei der Botschaft geklärt. Er arbeitete als Touristenführer, DJ, Perlentaucher, Taxifahrer und als Universalgenie in Sachen Organisation. Kurz gesagt, er machte alles wozu er Lust hatte und das ihm dann auch noch seinen Lebensunterhalt verschaffen konnte. Hier fand er die Ruhe und Entspannung die er brauchte um sich endgültig von Nadja zu lösen und über sein weiteres Leben nachzudenken. Allerdings machte er sich um sein weiteres Leben schon seit einer Weile keine Gedanken mehr, so wie es war konnte es auch bleiben. Er fühlte sich wohl. Nadja allerdings konnte er noch nicht aus seinen Gedanken verdrängen. Sie war einfach immer da.


Wie gesagt, die Hitze machte ihm zeitweilig zu schaffen, wie auch gerade jetzt. Er saß mit dem Rücken an eine Palme gelehnt. Vor einer Stunde boten die Blätter des Baumes noch Schatten. Nun aber, da seine Mittagspause ihrem Ende zuging, hatte die Sonne ihn wiedergefunden. Sie brannte gut gezielt zwischen den Blättern hindurch auf seine unbedeckte Glatze. Na dann muss ich wohl los, dachte er sich, stand auf und schüttelte sich den Sand aus den Kleidern (wenn auch nur einen kleinen Teil, das meiste blieb auf dem verschwitzen Körper ohnehin kleben). Er blickte aufs Meer hinaus, betrachtete die verschiedenen Blau- Türkis- und Grüntöne und überlegte, was er heute noch zu tun hatte. Ah, ja richtig. Er hatte eine Vertretungsschicht als Taxifahrer. Sammy hatte ihn angerufen und ihn gebeten für einen kranken Kollegen einzuspringen. Er machte sich dann auch auf zu seinem Wagen, der wenige Meter weiter auf einem Parkplatz stand. Er öffnete den Kofferraum (indem er mit beiden Fäusten einmal rechts und links auf das Blech einhieb) und nahm das TAXI- Schild heraus. Er befestigte es auf dem oberen Rand der Windschutzscheibe seines uralten Chevy Cabrios und schwang sich dann hinter das Steuer. Heute war "T-Day", einer der Wochentage an denen die "T´s", die Touristen auf der Insel ankamen oder von hier abflogen. Für ihn bedeutete dass viele Fahrten vom Flughafen zu den Hotels und wieder zurück. Gutes Geld. "Also los, auf in den Kampf..." Er bog auf die Hauptstrasse der Insel, auf der man wenn man nur lang genug fuhr, fast alles auf dem Eiland erreichen konnte.


Sie stand am Ausgang des Flughafens, zwei große Koffer und das unvermeidliche Beautycase auf einem klapprig- rostigen Schiebegefährt. Die Sonnte brannte heiß, durch die Designersonnenbrille hindurch blickte sie in den Himmel, suchte vergebens nach einem Wölkchen. Soweit so gut. Ich bin also in der Karibik. Schön. Und wie komme ich jetzt an ein Hotelzimmer? Sie hatte vor Abflug noch kein Zimmer gehabt. Also konnte sie auch nicht mit einem der Busse fahren, die die meisten der übrigen Touries zu ihren Hotels brachten. Ah, da hinten sah sie ein paar Taxis. Sie machte sich sofort auf den Weg, kam aber dennoch zu spät. Innerhalb weniger Sekunden waren die Taxis belegt und verschwanden in einer Staubwolke Richtung City. Na das läuft doch alles prima. Mit diesem Anflug von Sarkasmus setzte sie sich auf ihr Gepäck, stütze den Kopf auf eine Faust und begann zu überlegen, wie lange es wohl dauerte, bis wieder ein Taxi auftauchte. Nun, sie kam mit ihren Gedanken nicht weit, sie wurde von lautem Knattern und Knallen abgelenkt, qualm kitzelte ihr feines Näschen. Als sie hochschaute sah sie einen uralten Chevy, der unter Beschimpfungen und lautem Getöse gerade vorfuhr. Auf der Windschutzscheibe sah sie ein Taxischild. Die restlichen Touristen, die noch auf ein Taxi warteten, machten Fotos von diesem Insel-Original, um den Daheimgebliebenen genau zeigen zu können, in welcher Wildnis sie Urlaub gemacht haben...


Sie nutzte die Chance, schob mit energischen Schritten den Kofferwagen zum Taxi (es musste vor Urzeiten einmal rot gewesen sein, jetzt aber war es rostig-braun) und lächelte den schwitzenden Fahrer mit blitzend weißen Zähnen an. "Sind sie frei?" - "Sicher. Sobald sich die alte Rostlaube hier abgekühlt hat, kann ich sie fahren kleine Lady. Falls er sich abkühlt..." Den letzen Satz murmelte er leiser, über die geöffnete Motorhaube gebeugt. "Was soll das heißen, ‚falls'? Und nennen Sie mich nicht kleine Lady!" Als ihr klar war, dass sie von ihm keine Hilfe erwarten konnte, hievte sie ihre Koffer selbst in den Kofferraum. Zumindest versuchte sie es, denn das verdammte Ding wollte einfach nicht aufgehen. Vor lauter Ärger schlug sie auf das Metall ein. Und, oh Wunder, der Kofferraumdeckel schwang mit einem dezenten Quietschen auf. Stolz auf ihre Leistung wuchtete sie das Gepäck hinein und stellte sich dann neben den Fahrer. "Warten sie mit den Koffern, ich helfe ihnen gleich. Der Kofferraum hat seine Macken" sagte er über die Schulter hinweg zu ihr. "Das habe ich schon gemerkt..." Mit einem zweifelnden Blick sah er sie dann das erste Mal etwas genauer an. "Na dann können wir ja los, kleine Lady" - "Ich habe ihnen bereits gesagt, dass sie mich nicht so nennen sollen. Da fühlt man sich ja wie eine zehnjährige mit Dauerlutscher und verklebten Fingern..." - "Na, wie meinen sie, wirken sie auf mich? Völlig allein und verloren auf einem Flughafen in der Karibik. Wie Alice im Wunderland. Also sind sie eine kleine Lady!" Lachend schwang er sich hinters Steuer, sie beeilte sich, neben ihm einzusteigen, bevor er dem Motor ein gequältes Aufjaulen entrang und eine Staubwolke aufwirbelnd losfuhr. (Scheinbar löst auf dieser Insel jede Bewegung eine Staubwolke aus, dachte sie bei sich)


"In welchem Hotel wohnen sie denn?" - "Bis jetzt habe ich noch kein Zimmer. Aber es wird sich schon noch eines finden." - "Da wäre ich mir nicht so sicher. Jetzt ist Hauptsaison. Da sind alle Hotels aus- oder überbucht. Sie haben doch die Touristenschwärme am Flughafen gesehen. Tja, vielleicht sollte ich sie gleich wieder dorthin zurückbringen. Warum haben sie denn nicht reserviert?" - "das geht sie gar nichts an. Fahren sich mich zum besten Hotel. Mit Geld kriegt man fast alles. Warum also nicht auch ein Hotelzimmer auf dieser Insel?" Kapitulierend zuckte er mit den Schultern. "Sie sind der Boss, kleine Lady" Er konnte es sich nicht verkneifen, sie so zu nennen. Sie sah echt süß aus, wenn sie sauer war. Und sauer war sie jetzt, dass konnte er genau durch den Rückspiegel sehen. Ein Liedchen pfeifend trat er aufs Gas und überholte einen Bus. (Der dadurch in eine Staubwolke... na, was wohl?)


Sie hatten mittlerweile sämtliche Hotels abgeklappert, nirgends war ein Zimmer zu bekommen, auch nicht für den doppelten oder sogar dreifachen Preis. Sie kam gerade aus dem letzten Hotel heraus, mit einem Gesicht, dass ihm verriet, dass sie wieder keinen Erfolg gehabt hatte. Er fand das Ganze sehr lustig. Nun, dann wollen wir das kleine Fräulein mal ein bisschen Ärgern, dachte er. Die Arme wartend verschränkt lehnte er an seinem Auto, das unvermeidliche Grinsen auf dem Gesicht. Sie funkelte ihn böse an. "Wagen sie jetzt bloß nicht zu sagen, ich hab es ja gleich gesagt." - "Ich werde mich hüten. Wir wissen ja beide sowieso, dass ich es ihnen vorher gesagt habe, und dass sie nicht auf mich hören wollten. Ach ja, mein Taxameter läuft noch. Sie finanzieren gerade meine Miete! Vielen Dank!" - "Bittesehr. Sagen sie mir lieber, was ich jetzt machen soll. Gibt es nicht irgendwo eine Pension, in der ich unterkommen kann?" - "Ich fürchte, so was gibt es hier nicht. Nur die Häuser, in denen die Eingeborenen leben. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass sie da wohnen wollen..." Die Art, wie er ‚da' gesagt hatte, lies sie diese Möglichkeit auf der Stelle streichen. "Na, dann fahren sie mich zum schönsten Strand der Insel,. Ich gehe hier nicht weg, bis ich nicht zumindest einmal in Meerwasser geschwommen bin!"


Sie fuhren also wieder los. (also, ich trau mich ja kaum zu sagen, was sie dabei zurückließen...) "Sagen sie mal, wie kommt es eigentlich, dass alle hier französisch sprechen, nur sie nicht? Warum sprechen sie englisch?", fragte sie nach einer Weile. Diese Frage hatte sie schon eine Weile beschäftigt. "Das kommt daher, dass ich nur Englisch, Deutsch und die Lieblingssprache aller Gymnasiasten Latein spreche. Ich bin eigentlich Deutscher. Ein ‚Aussteiger', wie sie es nennen würden." - "Na toll." Sie wechselte ins Deutsche. "Und warum quäle ich mich dann mit meinem bescheidenen Englisch? Das hätten sie mir auch gleich sagen können." - "Sie haben nicht gefragt!" Mit diesem Satz fuhr er um eine Kurve. Ihnen bot sich ein traumhafter Ausblick auf weißen Puderzucker- Sandstrand und azurblaues Meer. Wow. Deshalb war sie hierher gekommen. Er hielt direkt am Strand, sie stieg aus und warf Hut, Sonnenbrille und Handtasche beiseite. Unter seinen bewundernden Blicken zog sie ihr Kleid aus und sprang in dem schwarzen Bikini ins Wasser.
"Schwimmen sie nicht zu weit raus! Sie schulden mir noch Geld!" Lachend planschte sie in den Wellen. "Das Wasser ist herrlich. Kommen sie doch auch rein!" Was solls, dachte er. Es ist ihr Geld, das sie verbraucht, während wir hier schwimmen. Also zog er sein nassgeschwitztes Hemd aus und genoss das wunderbare Nass des Meeres.


Später setzten sie sich auf ihre Kleider und warteten, dass Wind und Sonne ihre Körper trocknen würden. "Am besten, sie bringen mich gleich zum Flughafen. So schön dieser Strand auch ist, ich habe nicht vor unter Palmblättern zu schlafen." - "Ach wissen sie, es gäbe da noch eine Möglichkeit. Zwar kein Hotel aber immerhin ein Bett und vier Wände. Ich kenne den Besitzer des kleinen Hauses auf dem Hügel dort. Sehen sie es?" Er wies auf eine Hütte, die ebenso gut aus der ‚blauen Lagune' stammen konnte.
Eine halbe Stunde später saßen sie ein kühles Bier in der Hand auf der Veranda des besagten Hauses, beobachteten den Sonnenuntergang über der Bucht. "Sagen sie mal, und der Besitzer hat wirklich nichts dagegen? Wo ist er überhaupt?" Er breitete die Arme aus "Oh, ich habe nichts dagegen. Willkommen in der Maison Volker" "Sie wohnen hier? Klasse, das kann ja was werden." Sie verdrehte die Augen und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. "Ja, das habe ich mir auch gedacht...", sagte er und sah ihr tief in die Augen.


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