Sonnensysteme des Lebens

TN-050100 war ein kleines Sonnensystem. Unscheinbar und nicht wirklich Mittelpunkt des Universums. Glücklicherweise war das den Bewohnern - also den Sternen und Monden, den 2 Sonnen, diversen Gesteinsbrocken und Lebensformen - nicht bekannt. Sie wussten nichts vom Rest dort draußen. Aber sie hatten hier untereinander ohnehin schon genug zu tun. Sozusagen ein Stück in unendlichen Akten und mit wirklich verdammt vielen Darstellern.


Wie jedes gute Drama gab es allerdings Hauptdarsteller, die wir an dieser Stelle näher betrachten wollen. Drama personae waren zum einen Enren, der größte Planet des Systems mit seinen Bewohnern, den Enreni. Wie es sich für einen großen, starken und tatsächlich unwiderstehlich anziehenden Planeten gehört, versammelte er diverse Monde in Umlaufbahnen um sich herum. Dabei gab es viele unbedeutende Monde, die Enren nur in weiten, quasi unpersönlichen Bahnen umrunden. Zwei der engeren jedoch sind für dieses Stück sehr wichtig: Silican und bisweilen auch Tetufas.


Die Enreni sind seit je her sehr religiöse Geschöpfe. Sie verehren die Himmelskörper über ihren Köpfen, allen voran Silican. Seine stabile Bahn positioniert ihn fest über einem großen, herzförmigen Kontinent des Planeten. Auf diesem Kontinent leben die meisten Bewohner. Schon Hannibal Lector sagte einmal "Wir begehren, was wir sehen". Und so ist es auch hier. Silican bestimmt das Leben und Denken der Enreni, sie verehren ihn wie einen Gott.

Silican ist ein unbewohnter Mond. Tetufas hingegen ist die Heimat der Tetufer. Die Tetufer sind aus biologischer Sicht nahe mit den Enreni verwand. Nicht, dass das den Enreni schon einmal aufgefallen wäre, aber es ist so. Die Tetufer werden von den Enreni mit bloßer Nicht-Wahrnehmung gestraft. Keine Verehrung. Für sie ist Tetufer einfach einer der vielen Monde, unscheinbar und gut hinter vielen anderen versteckt. Was den Tetufer passierte oder wie es ihnen ging spielte auf Enren keine Rolle, dort wusste man nicht einmal von der Existenz des Volkes der Tetufer.


TN-050100 war ein sehr aktives Sonnensystem mit vielfältigen Beziehungen der darin befindlichen Elemente. Bisweilen geschah es, dass sich die Anziehungskräfte der Planeten veränderten. Zum Beispiel, wenn sich die beiden Sonnen des Systems zu nahe kamen. Auf Enren bedeutete das meistens, dass die Monde sich neue Laufbahnen suchten, Kontinentalplatten verschoben wurden und so zwangsläufig auch andere Götter den Himmel über den Enreni bewohnten. Das war immer Anlass für ein zünftiges Fest. Jeder neue Gott wollte ja gebührend begrüßt und verehrt werden.


Das erste Mal, dass Tetufas über dem herzförmigen Kontinent erstrahlte, begab es sich nun, dass die unbewohnte Gebirgsseite in Richtung Enren zeigte. Die Enreni konnten damals schon die interessanten Minerale, Erze und andere Bodenschätze auf der Oberfläche von Tetufas erkennen. Dummerweise schlossen sie von der ihnen zugewandten unbewohnten Seite des Mondes darauf, dass auch der Rest unbewohnt und somit schürfrechtlich Freiwild war.

Dem war aber nicht so: Die Tetufer lebten in einer großen Siedlung auf der dem Weltraum zugewandten Seite. Und sie waren wirklich nicht sehr erfreut, als ihre Häuser von Erdbeben erschüttert und zerstört wurden: Die Enreni hatten begonnen, die Gesteinsschichten von Tetufas zu erforschen - mit Sprengköpfen die es in sich hatten.


Die Tetufer waren geschickte Forscher, es dauerte nicht lange, da entdeckten sie was, oder besser gesagt, wer die Erdbeben verursachte. Sie versuchten Kontakt zu den Enreni herzustellen - vergeblich. Das Bombardement ging munter weiter. Als sie sich nicht mehr zu helfen wussten, zerstörten sie ihrerseits die Minen der Enreni und bauten dann einen Schirm um die Mondoberfläche auf - niemand konnte nun mehr auch nur eine Megatonne Gestein sprengen. Sie hatten schon zuvor mit solchen Problemen zu kämpfen gehabt und wussten sich solch fieser Attacken zu erwehren. Wieder einmal wurden sie sich bewusst, wie gemein das Universum um sie herum scheinbar war, und dass sich ein harmloses, friedliches Volk davor schützen muss.


Die Enreni - die nichts vom verbleib ihrer Leute wussten und nun aus für sie ungeklärter Ursache nicht mehr an die Oberfläche des Mondes gelangen konnten, nahmen dies es als Zeichen, dass Tetufas ein böser Gott war, der sich von ihnen verärgert fühlte. Sie strichen ihn aus ihren Himmelskarten. Sie sehnten sich nach anderen, besseren Göttern. Es dauerte ein paar Jahrhunderte, aber sie bekamen schließlich wirklich neue Monde, scheinbar waren ihre Gebete erhört worden. Diesmal kamen ihnen erst viele unbedeutende hintereinander und, man höre und staune, sogar nebeneinander nahe. Den Enreni ging es gut in dieser Zeit. Ihre eigenen Ressourcen waren noch ausreichend, sie vermissten Tetufas nicht, litten keine Not.


Nach einer Weile bezog Silican Stellung über jenem herzförmigen Kontinent auf Enren und blieb dort für sehr lange. Silican war schon immer ein wunderschöner Mond. Die Enreni liebten den Anblick der cremefarbenen Oberfläche und das Leuchten der Gaswolken in der Athmosphäre.


Auch Gold ist eine wunderbare Sache. Nur wird man davon allein nicht satt. Den Enreni gingen mit der Zeit Ressourcen verloren, ihre Industrie drohte Zusammenzubrechen. In alten Chroniken wurde noch von dem alten Mond Tetufas berichtet, der so sagenhaft reich an Bodenschätzen war. Da dieser Mond ihnen aber nicht zugänglich war, beteten sie nur noch inbrünstiger zu Silican. Vergeblich. Der Gott sandte ihnen keine Hilfe. Er verließ sogar eines Tages seine Umlaufbahn um Enren und umkreiste fortan Melucca, einen der kleineren Planeten des Systems. Dabei blieb er aber noch knapp in Sichtweite der enrenischen Teleskope. Die Enreni fühlten sich verraten und verkauft. Silican hatte sie in ihrem Glauben an die Mondgötter bitter enttäuscht. So vergaßen sie mit der Zeit die alten Rituale und versuchten allein ihr Überleben zu sichern.


Da begab es sich, dass Tetufas wieder in die Position über besagtem Kontinent bezog, dieses Mal mit der bewohnten Seite zum Planeten. Die Tetufer befürchteten nichts gutes von den ihnen schon bekannten Enreni und versuchten immer wieder mit ihnen zu kommunizieren um zu erfahren, was die Bewohner dieses Mal mit ihnen und ihrem Mond vor hatten. Zudem entdeckten Sie, dass eine Kooperation der beiden Völker für beide von Vorteil sein konnte. Tetufas konnte gut auf einen Teil seiner Bodenschätze verzichten, wenn dafür die Sehnsucht der Tetufer nach Erholung und Entspannung in freundlicher Umgebung gestillt wurde. Sie wussten, dass sie auf Enren weite Gebiete vorfinden würden, in denen sie sich wunderbar wohl fühlen konnten.


Leider unterschieden sich ihre Signale und Sprachsysteme derart von denen der Enreni, dass diese noch nicht einmal bemerkten, wer sie da so dringend rief. Und da der Erstkontakt nicht wirklich erfreulich verlaufen war, trauten sich die Tetufer auch nicht einfach mit einem Schiff auf Enren zu landen. Wer konnte schon sagen, was die Sprengköpfe einer diplomatischen Abordnung antun konnten?
Da die Monde den Enreni nicht mehr wichtig waren und sie von dieser Seite keine Hilfe erwarteten, hatten sie die Weltraumforschung eingestellt. So wussten sie nun nicht, dass Tetufas, der Mond mit den rettenden Ressourcen sie da umkreiste. Und da Tetufer keine optische Schönheit war, interessierte er sie nicht einmal in wolkenlosen Nächten, wenn der Himmel sich wie ein dunkelblaues Zelt über ihren Köpfen erhob.


Durch puren Zufall fing ein junger Enreni eines Tages die Radiosignale von Tetufas auf. Er verstand die Botschaft der Tetufer. Es dauerte eine Weile, bis er genügend Leute überzeugt hatte, dass dort oben auf dem Mond andere Lebewesen waren, die mit ihnen sprechen wollten. Und dann dauerte es wieder eine ganze Weile, bis man sich entschloss auf die Rufe zu antworten. In harten Zeiten musste man vorsichtig sein. Besonders da Enren zu dieser Zeit wehrlos vor Fremdangriffen war. Wie gesagt, Weltraumforschung oder planetare Verteidigungsanlagen gab es schon lange nicht mehr.


Als es dann endlich wirklich dazu kam, dass Tetufer und Enreni miteinander sprachen, fanden Sie heraus, dass ihre Bedürfnisse sich wunderbar ergänzten: Die Enreni wollten Bodenschätze von der steinigen Mondoberfläche abbauen, den Tetufern fehlte es an Pflanzen und Sauerstoff, da besagte steinige Mondoberfläche karg und öde war. Kein schöner Anblick und in weiten Teilen so lebensfeindlich, dass niemand gerne aus dem Küchenfenster blickte. Auf Enren gab es viele wunderschöne Wälder und Steppen, Tiere und Pflanzen in Hülle und Fülle.


So ergab sich ein Handelsabkommen zwischen den beiden Himmelskörpern: Die Enreni bekamen ihre Schürfrechte. Im Gegenzug wurde auf Enren ein Erholungszentrum für Tetufer eingerichtet, die hier Ruhe, Erholung und Entspannung fanden. Kaum zu glauben, aber das Abkommen machte beide Parteien sehr glücklich und zufrieden.


Irgendwann kam jemand darauf, dass Tetufas eines Tages vielleicht wieder aus Enren´s Umlaufbahn gerissen werden könnte. Mit den weit entwickelten technischen Anlagen der Tetufer (die teilweise mit der Muskelkraft der Enreni gebaut worden waren) wurde ein Energieband um Planet und Mond geschlungen. Das bot eine gewisse Sicherheit.


Nun ja. Das Universum ist immer gut für eine Überraschung. Warten wir einfach ein, zwei Millionen Jahre und schauen dann noch einmal hier vorbei um zu sehen, ob Enren und Tetufas immer noch aneinander gebunden und glücklich sind.


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